Ärzteschaft
Dienstag, 16. Juni 2020
Berlin – „Lange bestehende Fehlentwicklungen“ im Gesundheitssystem kritisiert der Ausschuss der Assistenzärzte im Hartmannbund in einem heute veröffentlichten Positionspapier. Unter dem Titel „Auf welche systematischen Webfehler uns die Coronakrise gestoßen hat“ wollen sie eine breite Debatte anstoßen, bei der die Stimmen aller Berufsgruppen des Gesundheitswesens Gehör finden.
Aufgrund des aktuellen Finanzierungssystems bestünden derzeit Anreize für eine eher operativ- und geräteorientierte Medizin als für eine sprechende und zuwendungsorientierte Medizin, schreiben die jungen Ärzte. Das Fallpauschalensystem habe zudem „seinen ursprünglich erdachten Effekt der Kosteneinsparung nicht hinreichend erfüllt“.
Es habe stattdessen zu „massivem Personalabbau und Einsparungen an falscher Stelle geführt“, so der Ausschuss weiter. Bereits der Regelbetrieb bedeute in vielen Kliniken und Praxen „ein ständiges Arbeiten an den Kapazitätsgrenzen“. Die COVID-19-Krise habe jedoch eindrücklich bewiesen, dass Überkapazitäten, sowohl in der Bettenplanung als auch bei der Bereitstellung von Schutzmaterial, sinnvoll seien.
Konkret schlägt der Ausschuss vor, im „Normalbetrieb“ beispielsweise fünf Prozent mehr Betten vorzuhalten, als absolut notwendig. Zudem fordert er eine Produktion oder Vorhaltung von medizinischem Material und Medikamenten in Deutschland. Dabei gehe es explizit nicht um nationalen Protektionismus, sondern um Risikostreuung.
Bekannte Missstände in Pandemie öffentlich sichtbar
Diese und weitere Probleme hätten in der COVID-19-Pandemie vermehrt öffentliches Interesse gefunden. Gleichzeitig seien „ungeahnte Kapazitäten“ mobilisiert worden. Dies biete die Chance, über die Vorbereitung auf eine nächste Pandemie hinaus, „sich ganz grundsätzliche Gedanken über die Zukunft unseres Gesundheitssystems zu machen“, sagte Theo Uden, Hartmannbund-Vorstandsmitglied und Vertreter der Assistenzärzte des Verbandes.
aerzteblatt.de
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Die immensen Erwartungen der Politik und Gesellschaft an medizinisches Personal müssten sich nun auch in der Finanzierung zeigen. Der Ausschuss verlangt daher, neben der Abkehr von der Profitorientierung, eine bessere Bezahlung für Pflegeberufe und den öffentlichen Gesundheitsdienst sowie den Erhalt sinnvoller digitaler Neuerungen in der Regelversorgung.
Darüber hinaus hätten die Medien in der aktuellen Krise „eine bisher nie dagewesene Gesundheitsbildung der Bevölkerung vorgenommen“. Die jungen Ärzte sprechen sich für die weitere Stärkung der Entscheidungskompetenzen von Patienten aus. Die Gesellschaft müsse mitentscheiden, welche Gesundheitsversorgung angemessen sei und wie hierfür Gelder verteilt werden sollten, schreiben die Autoren des Thesenpapiers. © jff/aerzteblatt.de