Politik

Donnerstag, 11. Juni 2020

Berlin – Administrative und finanzielle Belastungen, eine fragliche Übertragung des Modells der preisabhängigen Nachfragesteigerung auf Arzneimittel sowie Bedenken an einer Senkung der Steuer auf alkoholische Getränke sind unter anderem die Punkte, die der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die Bundes­psycho­therapeuten­kammer (BPtK) in aktuellen Stellungnahmen kritisieren.

Sie reagieren damit auf die geplante Mehrwertsteuersenkung, die als Teil des Konjunktur­paketes helfen soll, die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie abzumildern.

Die Änderungen sollen am 1. Juli in Kraft treten und bis Ende des Jahres dauern. Die Mehr­­wertsteuer wird dann von 19 auf 16 Prozent gesenkt, der ermäßigte Satz soll von sieben auf fünf Prozent sinken. Die Politik erhofft sich davon eine wirtschaftliche Entlas­tung für Verbraucher von rund 20 Milliarden Euro.

„Der Deutsche Apothekerverband begrüßt das Anliegen der Bundesregierung, die Wirt­schaft zu stärken und die negativen Folgen der Coronapandemie abzufedern“, sagte der Vorsitzende des DAV Fritz Becker. „Für den Bereich der Arzneimittelversorgung führt sie leider aber auch zu Schwierigkeiten, weil hier viele Besonderheiten zu berücksichtigen sind.“

Es sei nicht das Anliegen, den Konsum von Arzneimitteln durch eine Preissenkung anzu­kurbeln. Auch seien Apotheker zwar Umsatz- und Gewerbe­steuer zahlende Unternehmer, sie seien aber auch freie Heilberufler, deren Arbeit stark durch die Sozialgesetzgebung reguliert sei.

„Bei mehr als 80 Prozent des Umsatzes handelt es sich um rezeptpflichtige Arzneimittel, die bundeseinheitlichen Preisen unterlegen, die wiederum größtenteils von den Kranken­kassen erstattet werden,“ so Becker weiter. Apotheken könnten hier weder ‚Preisvorteile‘ weitergeben noch sei die Nachfrage preissensibel.

Da der Apothekenabschlag als Rabatt für Krankenkassen mit 1,77 Euro brutto pro Medi­ka­ment nominal festgelegt sei, wächst die Nettobelastung der Apotheken bei einer Mehr­wertsteuersenkung. Die Krankenkassen hingegen profitierten finanziell. „Der Effekt macht einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr aus“, rechnet Becker aus. Er kritisiert zudem, dass die Zeit für eine Umsetzung bis zum 1. Juli zu knapp sei.

Kritik am Konjunkturpaket kam auch von der BPtK – eine Mehrwertsteuersenkung bei Alkohol sei gesundheitsgefährdend. „Alkohol zu verbilligen, erhöht die Schäden, die der hohe Bier-, Wein- und Schnapskonsum jetzt schon anrichtet. Alkohol sollte wie Tabak von der Mehrwertsteuersenkung ausgenommen werden“, forderte Dietrich Munz, Präsident des Verbandes.

Die Kammer betont den nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Alkoholpreis und Alkoholkonsum: Je teurer Alkohol in einem Land sei, desto geringer die konsumierte Al­koholmenge. Darum fordert die BPtK, den durchschnittlichen Alkoholpreis zu erhöhen.

„Entsprechend einer Studie der OECD (2015) würde ein durchschnittlicher Anstieg des Al­koholpreises in Deutschland um zehn Prozent die Häufigkeit der Alkoholabhängigkeit um rund drei Prozent und die Häufigkeit von Alkoholmissbrauch um etwa zehn Prozent ver­ringern“, so der Verband.

Die Krankenhäuser sehen sich bislang von den geplanten Maßnahmen nicht betroffen. Laut Aus­sage der Deutschen Krankenhausgesellschaft könnten aktuell noch keine Mehrbelastun­gen ausgemacht werden. © kk/aerzteblatt.de