Ärzteschaft

Mittwoch, 17. Juni 2020

Berlin – Obwohl die Gruppenpsychotherapie für viele Patienten Vorteile bietet und ihre Wirkung wissenschaftlich belegt ist, wird sie zwar im stationären Bereich häufig einge­setzt, im ambulanten Bereich jedoch seltener. Das will die Deutsche Psychothera­peuten­vereinigung (DPtV) ändern, indem sie dieses therapeutische Setting zum Thema ihrer Jahrestagung macht.

„Gruppentherapie ist vielfältig und hat einen hohen Evidenzgrad bei Angsterkrankungen, depressiven Störungen, Bulimie, Schizophrenie, somatoformen Störungen und Persön­lich­­­keits­störungen. Die Gruppe dient dem Patienten als Spiegel, was in der Einzel­therapie nur schwer zu erlangen ist“, sagte Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der DPtV heute bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Sichere Peer-to-Peer-Verschlüsselungen fehlen

Aufgrund der Coronapandemie ergeben für Psychotherapeuten nach Angaben des Berufs­verbands jedoch große Herausforderungen, Gruppenpsychotherapie anzubieten. „Es feh­len zurzeit sichere Peer-to-Peer-Verschlüsselungen für Videobehandlungen zwischen allen Gruppenteilnehmern“, erläuterte Hentschel.

Aufgrund des fehlenden Datenschutzes haben sich die Kassenärztliche Bundesvereini­gung (KBV) und der GKV-Spitzenverband darauf verständigt, die Gruppenpsychotherapie nicht als Videobehandlung zuzulassen. „Damit sind wir konform“, sagte der DPtV-Vorsit­zende. Es brauche KBV-zertifizierte Anbieter, die den Datenschutz gewährleisten und Lösungen für das hohe Datenvolumen präsentieren könnten.

Während der Coronapandemie würden Gruppentherapien deshalb zum größten Teil als Einzeltherapie oder mit weniger Teilnehmern in geteilten Gruppen angeboten. Denn Platz­probleme wegen der coronabedingten Abstandsregeln stellten Psychotherapeuten vor Probleme.

Die Ärztezulassungsverordnung ermögliche in § 24 Abs. 5 zwar die Nutzung ausgela­ger­ter Praxisräume für „besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ innerhalb eines Radius von 30 km Entfernung zur Praxis, erläuterte der DPtV-Vorsitzende. „Wir be­nö­tigen hier einer großzügigen Auslegung und Finanzierung durch die Kassenärztliche Vereinigung, um entsprechende Räume anmieten zu können, forderte Hentschel.

Vielzahl von Erleichterungen für die Durchführung von Gruppentherapien

Die DPtV verweist auf die Vielzahl von Erleichterungen für die Durchführung von Grupp­en­therapien in den vergangenen Jahren: So wurden durch die Reform der Psychothera­pie-Richtlinie 2017 Gruppengrößen von drei bis neun Teilnehmern, Kombinations­möglich­kei­ten von Einzel- und Gruppentherapie sowie eine transparente und lukrativere Vergü­tungs­struktur etabliert.

Mit dem Psycho­therapeuten­ausbildungs­reform­gesetz vom 23. November 2019 wurde das Gutachterverfahren in der ambulanten Gruppenpsychotherapie abgeschafft und der büro­kratische Aufwand des Antragsverfahrens erheblich reduziert.

„Alle diese Änderungen sind gut. Fachlich nicht nachvollziehbar ist aber die Vorgabe der Psychotherapie-Richtlinie, dass die probatorischen Sitzungen zu Beginn einer neuen Be­handlung ausschließlich im Einzelkontakt stattfinden müssen“, kritisiert Hentschel. Pa­tien­ten sollten solch eine „Probe“-Behandlung im Setting der Gruppentherapie erfahren können.

Gute Erfahrungen werden nach Angaben des Berufsverbands in einzelnen Projekten, wie beispielsweise dem NPPV-Projekt in Nordrhein auch mit supportiven Gruppen gemacht, zum Beispiel mit Psychoedukationsgruppen, Skills-Gruppen und Angehörigengruppen.

„Es sollte überlegt werden, solche Angebote in der Regelversorgung zur Verfügung zu stellen, mindestens aber für die neue Richtlinie nach § 92 Abs. 6b SGB V, die insbeson­dere für schwer psychisch kranke Menschen eine bessere Versorgung ermöglichen soll“, forderte Hentschel.

Auch Kindern und Jugendlichen biete die Gruppenpsychotherapie viele Chancen, wenn­gleich sie im ambulanten Bereich noch selten angeboten werde, so die DPtV. „Kinder und Jugendliche unterstützen sich gegenseitig und erleben positive soziale Beziehungen. Sie verarbeiten belastende soziale und emotionale Erlebnisse und können soziale Ängste und aggressives Verhalten abbauen“, erläuterte Kinder- und Jugendlichen­psychotherapeutin Sabine Maur bei der Pressekonferenz

Hilfreich und wirksam sind nach Angaben der Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz außerdem Gruppenpsychotherapien mit den Eltern psychisch erkrankter Kinder. In psychoedukativen Gruppen etwa lernten Eltern gemeinsam die Erkrankung ihres Kindes kennen und wie sie damit in Familienalltag und Schule umgehen könnten. „Die psychotherapeutische Unterstützung und den Austausch in der Gruppe mit anderen Betroffenen schätzen Eltern sehr“, sagte Maur.

Doch ein Hindernis für solche Angebote sei der hohe praktische Aufwand. Räumlich­keiten müssten gefunden werden, die Organisation sei anspruchsvoller. „Häufig wäre die Leitung durch zwei Psychotherapeutinnen auch aus pädagogischen Gründen fachlich notwendig, kann aber mit den bestehenden Honoraren nicht vergütet werden“, bedauert Maur.

Auch intensive Blocktherapien an mehreren Tagen hintereinander, zum Beispiel in den Ferien, seien in der Richtlinien-Psychotherapie nicht vorgesehen. Hier gebe es noch Verbesserungspotenzial, um die Gruppenpsychotherapie zu fördern. © PB/aerzteblatt.de