Ärzteschaft

Donnerstag, 29. August 2019

/Janina Dierks, stockadobecom

Berlin – Damit gesetzlich krankenversicherte Patienten schneller an Termine kommen können, greifen von Sonntag an mit dem umstrittenen Terminservice- und Versorgungs­ge­­­setz (TSVG) neue finanzielle Anreize und Vorgaben für Vertragsärzte. Sie sollen es unter anderem lohnender machen, wenn Hausärzte dringende Termine bei Fachärzten vermitt­eln oder Praxen neue Patienten aufnehmen.

Bei bestimmten Medizinern wie Augenärzten, Frauenärzten und Hals-Nasen-Ohren-Ärz­ten muss es künftig mindestens fünf Stunden in der Woche als offene Sprechzeit ohne feste Termine geben – auch dafür sind besondere Vergütungen vorgesehen.

Die Kassenärzte begrüßten, dass Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) die Mehr­arbeit in den Praxen anerkenne und mit zusätzlichen finanziellen Mitteln versehen habe, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Aller­dings sei der Tag endlich und die Arztzeit begrenzt, und sie werde immer knapper.

Niedergelassene Ärzte arbeiteten bereits im Schnitt 50 Stunden pro Woche. „Zusätzliche Termine müssen in die Praxisabläufe integriert werden“, sagte Gassen. „Bei der offenen Sprechstunde darf auch nicht vergessen werden, dass viele Patienten dann noch einmal wiederkommen müssen, weil beispielsweise noch Dinge abgeklärt werden müssen.“ Daher sei erheblicher Aufwand erforderlich, um dem Gesetz zum gewünschten Erfolg zu verhelfen.

Konkret sollen Hausärzte zum Beispiel ab dem 1. September einen Zuschlag von 10 Euro erhalten, wenn sie einem Patienten eine dringende Behandlung bei einem Facharzt ver­mitteln und der Termin binnen vier Tagen folgt. Eine extra Vergütung für den Arzt gibt es künftig auch, wenn Praxen Patienten aufneh­men, die noch nie oder mindestens zwei Jahre nicht bei ihnen waren.

Gestaffelte Zu­schläge gibt es für Patienten, die Termine über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bekommen haben. Dabei ist die Zusatzpauschale umso höher, je früher der Termin nach dem Anruf bei der Terminservicestelle folgt.

Wie viel Geld künftig zusätzlich bereitgestellt werden muss, wird sich noch zeigen müss­en. Laut einer Beispielrechnung der KBV gab es 2018 rund 45 Millionen Überweisungen zu Fachärzten. Ginge 1 Prozent davon auf aktive Vermittlung zurück, ergäbe das bei je 10 Euro Zuschlag 4,5 Millionen Euro extra für die Hausärzte. Bei einem Anteil von 20 Prozent mit aktiver Vermittlung wären es rund 90 Millionen Euro.

Die Neuregelungen sind Teil eines umfassenden Gesetzes der Großen Koalition, das im Mai in Kraft getreten ist. Es sieht unter anderem auch vor, dass Praxisärzte mindestens 25 statt 20 Stunden in der Woche für gesetzlich Krankenversicherte anbieten müssen. Die telefo­nische Vermittlung der Terminservicestellen, die in den Ländern bisher unterschied­lich arbeiten, soll zudem ab 2020 stark ausgebaut werden.

Das TSVG sieht auch vor, dass die Krankenkassen für bestimmte Risikogruppen die Kos­ten für eine medikamentöse Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur Vorbeugung einer HIV-Infek­ti­on tra­gen. Die neue, vorbeugende Arzneimitteltherapie kann nach Angaben der DAK-Gesundheit eine HIV-Infektion mit 96-prozentiger Sicherheit verhindern. Allein im vergan­genen Jahr haben sich in Deutschland etwa 2.900 Menschen mit dem HI-Virus infiziert. © dpa/may/aerzteblatt.de