Politik

Donnerstag, 14. Mai 2020

Berlin – Mehr Coronatests, ein Extra-Bonus für Pflegekräfte, höheres Kurzarbeitergeld: Der Bundestag hat heute eine Reihe weiterer Maßnahmen beschlossen, um die Folgen der Pandemie für Millionen Menschen abzufedern.

Nach den Plänen von Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) und Bundesozialmi­nister Hubertus Heil (SPD) sollen auch für zu Hause betreute Pflegebedürftige, für pfle­gen­de Angehörige und für Arbeitslose Erleichterungen kommen. Der Bundesrat muss den Gesetzespaketen noch zustimmen. Von der Opposition kam teils Kritik.

Spahn sagte, nötig sei eine neue Balance: „So viel Normalität wie möglich, so viel Schutz wie nötig.“ Um Infektionsketten früh zu erkennen und zu unterbrechen, würden die Ge­sund­heitsämter gestärkt und mehr Tests in Pflegeheimen ermöglicht. Heil hob eine stär­kere Unterstützung für 2,5 Millionen Menschen hervor, die Angehörige zu Hause pflegen: „Wir schaffen Erleichterungen in einer schweren Zeit.“

Befugnisse des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­iums in der Kritik

Im Bundestag bemängelte die Linke, dass eine Coronaprämie nur an Beschäftigte in der Altenpflege gezahlt werden solle. FDP und Grüne warnten vor zu weitgehenden Befug­nissen des Ge­sund­heits­mi­nis­teriums. So erklärte die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, dass es in dem Gesetz zwar einige gute Dinge gebe, aber es doch „zu viele Kröten in der Suppe“ . Daher werden sich die Grünen bei der Abstimmung enthalten.

Für die FDP stellt sich bei diesem zweiten Gesetz die Frage, ob die Blankobevoll­mächti­gung für das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­ium noch verhältnismäßig sei, erklärte die ge­sundheits­politische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dug­nus.

In der Anhörung sei ganz deutlich geworden, dass das Gesetz verfassungsrechtlich be­denklich sei und die Beteiligungsrechte des Parlaments nicht berücksichtigt würden, so Aschenberg-Dugnus. Daher werde die FDP gegen das Gesetz stimmen. Auch die Linke fragte, „wann die Wiederherstellung der Gewaltenteilung“ erfolge, so Gesundheits­poli­ti­ker Harald Weinberg (Linke).

Ausreichende Zahl an Tests notwendig

Die AfD warf der Großen Koalition vor, mit ihrer Krisenpolitik Angst, Hysterie und Depres­sion zu erzeugen. „Sie suggerieren eine permanente Krise, die es so gar nicht gibt“, er­klär­te Robby Schlund, Gesundheitspolitiker der AfD-Bundestagsfraktion. Schlund bezog dies besonders auf seinen Wahlkreis Greiz, der derzeit mit hohen Infektionszahlen in den Schlagzeilen ist.

Spahn widersprach: „Wenn ich Abgeordneter ihres Wahlkreises wäre, dann würde ich mir große Sorgen machen.“ Er verteidigte dagegen die Maßnahmen: „Ein Virus wie dieses be­kämpft man doch nicht, indem man es leugnet.“ Es sei gelungen, die Infektions­dynamik zu brechen. Und dazu brauche es ausreichende Tests.

An die Adresse der Krankenkassen, die sich in den vergangenen Tagen über die steigen­den Kosten und ihre Liquidität sorgten, erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karen Maag: „Sie können uns beim Wort nehmen, dass wir im Herbst über Steuerzuschüsse sprechen werden.“

Auch Sabine Dittmar, gesund­heits­politische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion er­klärte: „Es ist klar, dass die zusätzlichen Test versicherungs­fremde Leistungen sind. Daher werden wir spätestens im Herbst über Steuerzuschüsse sprechen.“

Auf der ersten Stufe der Pandemie erfolgreich

Mit Ausnahme der AfD sagten alle Abgeordneten in der Debatte, dass man erst eine erste Stufe oder Phase der Pandemie erreicht habe. CDU-Politikerin Maag betonte, dass „wir auf einer ersten Stufe erfolgreich“ gewesen seien. „Hoffentlich setzen wir diesen Weg fort.“

SPD-Politikerin Dittmar erläuterte: „Wir haben einen Etappensieg erreicht und sind mitten in der Pandemie. Als Ärztin sage ich ihnen, nehmen sie das Coronavirus nicht auf die leichte Schulter. Widersprechen sie aktiv den Verschwörungstheorien.“

Obwohl die FDP das Gesetz für falsch hält, sehe auch ihre Partei, dass „wir noch nicht durch sind“, so Aschenberg-Dugnus. Für Linken-Politiker Weinberg ist „es eine neue Etappe in der Pandemie.“ Spahn appellierte, dass man es nicht als hochgenug einschät­zen solle, wie viel schon erreicht sei. „Das macht uns demütig und stolz“, erklärte er im Bundestag.

Mit den Gesetzen aus der Gesundheitspolitik sowie dem Arbeitsministerium sind folgen­de Neuregelungen mit Stimmen der Regierungsfraktionen verabschiedet worden:

Kurzarbeitergeld: Wer länger in Kurzarbeit muss, soll stärker vor Lohneinbußen bewahrt werden. Bisher gibt es 60 Prozent des letzten Nettolohns oder 67 Prozent für Menschen mit Kindern. Künftig sollen es ab dem vierten Monat des Bezugs 70 Prozent oder 77 Pro­zent sein − ab dem siebten Monat 80 Prozent oder 87 Prozent. Gezählt wird rückwirkend ab März.

Wer also seitdem auf mindestens 50 Prozent Kurzarbeit war, soll ab Juli mehr Geld be­kommen, die zweite Erhöhungsstufe würde dann ab Oktober greifen. Die Regelung läuft aber auch Ende des Jahres wieder aus. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitnehmer in Kurzarbeit werden zudem vom 1. Mai bis 31. Dezember bis zur vollen Höhe des bishe­rigen Monatseinkommens erweitert.

Arbeitslosengeld: Aufgrund der derzeit geringen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt soll das Arbeitslosengeld für diejenigen um drei Monate verlängert werden, deren Anspruch zwischen dem 1. Mai 2020 und dem 31. Dezember 2020 enden würde. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes sowie die Verlängerung beim Arbeitslosengeld kostet die Bundes­agen­tur für Arbeit zusammen zusätzliche gut 2,6 Milliarden Euro.

Pflegebonus: Beschäftigte in der Altenpflege sollen in diesem Jahr eine gestaffelte Prä­mie von bis zu 1.000 Euro bekommen. Die Höhe richtet sich nach Funktion und Arbeits­zeit. Die Kosten werden mit rund einer Milliarde Euro veranschlagt. Länder oder Arbeitge­ber können den Bonus auf bis zu 1.500 Euro aufstocken, die steuerfrei bleiben würden. Mehrere Länder haben es schon angekündigt. Spahn nannte heute Bayern, Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen.

Testen und melden: Im Umfeld besonders gefährdeter Menschen soll mehr getestet wer­den, zum Beispiel in Pflegeheimen. Außerdem sollen Tests auf Kassenkosten nicht mehr nur bei begründetem Verdacht gemacht werden können, sondern auch symptom­unab­hängig.

Um ein besseres Lagebild zu bekommen, müssen Labore und Ärzte den Gesundheits­äm­tern künftig nicht mehr nur Verdachtsfälle einer Infektion, bestätigte Fälle und Todesfälle melden − sondern auch negative Testergebnisse. Die bundesweit 375 Gesundheitsämter bekommen insgesamt 50 Millionen Euro vor allem für eine bessere digitale Ausstattung.

Unterstützung der Pflege: Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz für Arbeitnehmer, die kurzfristig Angehörigen pflegen müssen, wird bis Ende September 20 statt 10 Tage lang gezahlt. Das Recht, wegen einer akuten Pflegesituation in der Familie nicht zur Arbeit zu gehen, wird ebenso auf 20 Tage verlängert.

Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1, die zuhause betreut werden, sollen zudem den monat­lichen Entlastungsbetrag von 125 Euro, der für bestimmte Aufwendungen gedacht ist, be­fristet auch flexibler einsetzen können. Nicht in Anspruch genommenes Geld soll län­ger angespart werden können.

Grippevorsorge: Für die kommende Grippesaison 2020/2021 soll eine größere Reserve an Impfstoff für die übliche Influenza eingeplant werden. Das soll verhindern, dass eine gro­ße Grippewelle mit der Behandlung von Coronapatienten in den Kliniken zusammentrifft.

Privatpatienten: Die Krise könnte viele privat versicherte Selbstständige und Klein­unter­nehmer zwingen, wegen finanzieller Probleme in einen günstigeren Basistarif ihrer Kran­kenkasse mit weniger Leistungen zu wechseln. Sie sollen einfacher − ohne erneute Ge­sundheitsprüfung − in den Ursprungstarif zurückwechseln können. © bee/dpa/aerzteblatt.de