Politik
Freitag, 17. April 2020
Berlin – Für Krankschreibungen bei leichten Atemwegsbeschwerden müssen Arbeitnehmer ab dem 20. April wieder zum Arzt gehen. Eine in der Corona-Epidemie eingeführte Ausnahmeregelung, dass dies auch nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt ging, wird nicht verlängert. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte sich für eine Verlängerung bis zum 3. Mai eingesetzt.
Die Mehrheit im G-BA sah das anders. Damit ist für die Beurteilung, ob ein Versicherter arbeitsunfähig ist und eine Krankschreibung erhält, demnach ab Montag wieder eine körperliche Untersuchung nötig. Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken erläuterte, die befristete Ausnahme diente angesichts der dynamischen Corona-Entwicklungen dazu, Praxen zu entlasten und die Virus-Ausbreitung zu verringern.
Diese Dynamik habe zwischenzeitlich aber durch strikte Abstands- und Hygieneregeln, die ebenfalls in Praxen beachtet werden, deutlich verlangsamt werden können. Die Behelfsregelung könne daher zum vorgesehenen Termin auslaufen. Dies entspreche auch den behutsamen Lockerungsschritten, die Bund und Länder beschlossen haben.
Eine unmittelbares Arztgespräch sei vor allem bei Erkrankungen wichtig, die nur durch eine persönliche Untersuchung umfassend und präzise erkannt werden könnten. Unabhängig davon sollten Patienten mit typischen COVID-19-Symptomen oder unklaren Symptomen der oberen Atemwege vorher in der Praxis anrufen und das Vorgehen besprechen.
Kritik von Ärzten
„Das ist weder für die Praxen noch für die Patienten gut“, kommentierten Andreas Gassen und Stephan Hofmeister vom KBV-Vorstand die Entscheidung des G-BA. KBV-Chef Gassen betonte, der abrupte Stopp durch den G-BA sei ein Problem für Praxisteams und Patienten gleichermaßen.
Hofmeister äußerte sich mit „Erstaunen und Unverständnis“. Eine Verlängerung bis 3. Mai wäre deckungsgleich gewesen mit der von der Bundesregierung ausgesprochenen Fortführung der Kontaktsperre. „Leider sind wir im Gremium überstimmt worden. Offenbar hat hierbei auch der große Druck der Arbeitgeberseite eine entscheidende Rolle gespielt“, sagte Hofmeister.
Über den Beschluss ärgert sich auch der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). „Mit dieser Entscheidung wird die Infektionsgefahr mit dem Corona-Virus in den niedersächsischen Arztpraxen steigen“, sagte der KVN-Vorstandsvorsitzende, Mark Barjenbruch, in Hannover.
Ab Montag würden die Patienten die Arztpraxen fluten, um die notwendige AU-Bescheinigung zu erhalten. Dies mache viele Bestrebungen von Kontaktsperren und Sicherheitsabständen zunichte. „Die Gefahren der Infizierung mit dem Corona-Virus für Ärzte, Praxispersonal und Bürgern steigt“, so Barjenbruch.
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie konnten Ärzte seit März ihren Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege telefonisch eine AU-Bescheinigung bis maximal 14 Tage ausstellen. Damit sollten Praxen entlastet und gleichzeitig das Risiko für eine vermeidbare Ausbreitung von Infektionskrankheiten der oberen Atemwege über die Wartezimmer reduziert werden. © dpa/aerzteblatt.de