Politik

Freitag, 17. April 2020

Berlin − Zurück nach der Vollbremsung: Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) sieht Möglichkeiten, dass die Krankenhäuser in Deutschland ab Anfang Mai schrittweise „in einen Regelbetrieb“ zurück­keh­ren.

Dabei gehe er davon aus, dass weiterhin „25, 30 Prozent“ der Intensivbeatmungsbetten für Corona-Patienten freigehalten werden soll­ten, erklärte er vor Journalisten in Berlin. Spahn hatte am 10. März die Krankenhäuser aufgefordert, alle planbaren Operationen aufzuschieben.

„Wir haben vor vier Wochen Menschen, die auf eine Rücken-, auf eine Hüftoperation ge­wartet haben, die einen Termin hatten, gesagt, das wird verschoben“, führte Spahn an. Da sei auch Druck und „durchaus seelisches und körperliches Leid“ mit verbunden.

„Deswegen finde ich es wichtig, so wie wir im öffentlichen Leben schrittweise in eine neue Normalität zurückkehren, dass wir ab Anfang Mai auch schrittweise in den Kranken­häusern eine neue Balance finden“, sagte er.

Denn natürlich brauche jeder mit einem Schlaganfall, einem Herzinfarkt oder einer Knieoperation auch seine Behandlung. Inzwischen beobachten viele Notfallambulanzen, dass weniger Menschen als üblich die Versorgung dort in Anspruch nehmen. Auch wird beobachtet, dass weniger Menschen mit entsprechenden Beschwerden dort vorstellig werden.

Spahn verwies darauf, dass es Mitte März eine sehr starke Dynamik bei der Zahl der In­fektionen mit SARS-CoV-2 gab. „Da waren Maßnahmen, die wir ergriffen haben, aus mei­ner Sicht auch zur Prävention und zur Vermeidung von Situationen wie in anderen Ländern richtig und wichtig.“

Jetzt sehe man: „Wir sind durch diese erste Welle bis hierhin gut durchgekommen. Und jetzt müssen wir eine neue Balance finden.“ Er betonte aber, man müsse weiter gut vorbereitet sein. Denn: „Der Ausbruch ist – Stand heute – wieder beherrschbar und beherrschbarer geworden.“

In der Pressekonferenz wies er auch darauf hin, dass aus seiner Sicht das „Gesundheits­system in Deutschland bislang zu keiner Zeit überfordert“ war. Diese Situation mache „uns demütig, aber nicht übermütig“. Die Infektionszahlen seien deutlich gesunken, vor allem auch die relativen Steigerungen von Tag zu Tag, sagte Spahn. Ermutigend sei auch, dass seit dem 12. April täglich mehr Menschen genesen würden, als es neue Infizierte gebe.

Spahn berichtete ebenso, dass er inzwischen von vielen internationalen Ministerkollegen gefragt werde, warum Deutschland gut durch diese Krise komme. Spahn sieht dabei vor allem die „Hausärzte als Schutzwall“ an, da in Deutschland fünf von sechs Patienten mit leichten Symptomen in der ambulanten Versorgung behandelt worden seien.

Die „exzellenten Kliniken“, die es gebe und die die Zahl ihrer freien Intensivbetten so klar gesteigert hätten, sei ein weiterer Vorteil gewesen. Auch sieht er die gute Verzah­nung zwischen ambulantem und stationärem Sektor als großen Vorteil an.

Für das Hochfahren des Medizinbetriebs benötigt es weiter eine Vielzahl von Schutzaus­rüstungen. Dafür habe der Bund in den vergangenen Tagen nach ersten Ausschreibungen Zuschläge an rund 50 Unternehmen gegeben, die künftig medizinische Schutzmasken im Inland herstellen sollen, berichtete Spahn.

Somit sollten ab Mitte August pro Woche zehn Millionen FFP2-Spezialmasken und 40 Millionen OP-Masken hergestellt werden. Damit lasse sich der Grundbedarf für das Ge­sundheitswesen im Großen und Ganzen decken, meinte Spahn. Insgesamt habe die Bundesregierung auch in Zusammenarbeit mit deutschen Konzernen, die in China Vertriebswege hätten, mehr als 80 Millionen Masken besorgen können.

Spahn betonte, dass neben der Beschaffung im Ausland eine solche Unabhängigkeit wichtig sei. Angesichts der Corona-Epidemie ist Schutzausrüstung für das medizinische Personal weltweit knapp.

Beim Tragen von Gesichtsmasken im Alltag setzt Spahn weiter auf Freiwilligkeit und lehnt eine Pflicht vorerst ab. „Mein Eindruck ist, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger sehr verantwortlich mit der momentanen Lage umgehen.“ Immer mehr Menschen würden einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

„Abschließend und grundsätzlich setze ich eher auf Freiheit, Einsicht, Mitmachen, Akzep­tanz durch Überzeugen mit Argumenten, weil aller Erfahrung nach Gebote eher Unter­stüt­zung bringen als Verpflichtungen“, sagte der Ge­sund­heits­mi­nis­ter. Zunächst solle die Entwicklung in den kommenden Tagen abgewartet werden. © bee/dpa/aerzteblatt.de