Ärzteschaft

Donnerstag, 11. Juli 2019

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Berlin ­– Das Bundeskabinett hat gestern das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) auf den Weg gebracht. Das Vorhaben stößt weiterhin auf Kritik bei der Hochschulmedizin und bei Psychologischen Psycho­therapeuten, wie heute deutlich wurde.

Die Bundes­psycho­therapeuten­kammer (BPtK) kritisierte heute einen mangelhaften Patientenschutz bei Gesundheits-Apps, wenn die Pläne des DVG durchgesetzt wür­den. In dem Gesetz enthalten sind Regelungen, wie Ärzte und Psychotherapeuten ihren Patienten künftig auch Apps verschreiben können.

Die BPtK fordert, an Gesundheits-Apps vergleichbare Ansprüche zu stellen wie an Arznei- und Heilmittel. Als ausreichend solle aber bereits gelten, wenn Versicherte durch eine App besser informiert werden beziehungsweise, wenn sie einen „positiven Versorgungseffekt“ belegen.

„Wenn eine Gesundheits-App verspricht, eine Behandlung wirksam zu unterstützen, dann muss genau diese Wirkung auch unabhängig überprüft werden“, fordert deshalb BPtK-Präsident Dietrich Munz. „Die angestrebte schnelle Verbreitung von Gesund­heits­­-Apps darf nicht zulasten der Patienten gehen. Der Hauptzweck der Gesundheits­versorgung ist das Wohl der Patienten und nicht Wirtschaftsförderung mit Mitteln der Gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rung.“

In dem Entwurf für ein DVG ist vorgesehen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn eine Liste mit „digitalen Gesundheits-Anwendungen“ führt, auf die Versicherte der gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rung (GKV) einen An­spruch haben.

Für psychische Erkrankungen gibt es nach Angaben der BPtK bereits eine Reihe eva­luierter und als Medizinprodukte der Klassen I und IIa zertifizierte Gesundheits-Apps. Diese könnten die Prävention unterstützen und eine psychotherapeutische Behand­lung positiv ergänzen. In der Fülle des Angebots sei jedoch weder für Versicherte noch für Ärzte und Psychotherapeuten erkennbar, welche Angebote die von Herstell­ern angegebenen Wirkungen tatsächlich erzielten.

Empfehlung nur von Ärzten und Psychotherapeuten

Die Bundes­psycho­therapeuten­kammer fordert außerdem, dass Ärzte und Psychothe­ra­peu­ten prüfen müssten, ob eine Gesundheits-App zu einem Patienten und seiner Erkrankung passt. Im Entwurf des DVG ist vorgesehen, es Krankenkassen zu erlau­ben, Versicherten Gesundheits-Apps zu empfehlen. „Ohne fachkundige Diagnostik und Indikationsstellung durch Ärzte und Psychotherapeuten drohen Fehlbehandlun­gen“, warnte BPtK-Präsident Munz.

Munz befürchtet, dass Krankenkassen künftig zum Beispiel Versicherten, die wegen einer Depression krankgeschrieben sind, eine Gesundheits-App empfehlen, ohne dass zuvor ein Arzt oder Psychotherapeut prüfen konnte, ob diese App überhaupt für den Versicherten geeignet ist. Das neue Gesetz mache dies möglich.

Darüber hinaus missbrauchen nach Angaben der BPtK Krankenkassen ihre Bera­tungs­tätigkeit auch, um Druck insbesondere auf Menschen, die lange krank oder ar­beitsunfähig sind, auszuüben. Psychisch Kranke haben mit durchschnittlich 30 Fehl­tagen pro Jahr besonders lange Arbeitsunfähigkeitszeiten.  „Krankenkassen im Wett­bewerb neigen dazu, Versicherte, die mehr Leistungen benötigen als andere, auszu­sortieren“, erklärt Munz. Das Patientenwohl bleibe dabei auf der Strecke.

Kritik auch von der Hochschulmedizin

Die Deutsche Hochschulmedizin und die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) riefen heute dazu auf, bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens die Belange der Forschung stärker zu berücksichtigen.

Die Deutsche Hochschulmedizin, bestehend aus dem Verband der Universitätsklinika (VUD) und dem Medizinischen Fakultätentag (MFT), sowie die TMF mahnten an, dass vor allem noch ein datenschutzkonformer Vorschlag zur elektro­nischen Patientenakte (ePA) fehlt, bei dem auch die Forschung berücksichtigt wird. „Es ist notwendig, dass hierzu zeitnah eine Regelung erfolgt“, hieß es.

„Bei der Digitalisierung der Daten und der Unterstützung von Patientenversorgung mit IT gibt es viel aufzuholen“, betonte VUD-Generalsekretär Ralf Heyder. Notwendig seien dringend mehr Anreize für die digitale Datenhaltung in den Krankenhäusern sowie erhebliche Investitionen in die IT.

Frank Wissing, Generalsekretär des MFT, zufolge muss beim Digitalisierungspro­zess insgesamt der Austausch und die Koordination zwischen Medizininformatik-Initiative, gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, Bundesge­sundheitsministerium und Bun­des­for­schungs­minis­terium verstärkt werden.

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