Politik

Mittwoch, 14. August 2019

Berlin – Das Bundeskabinett hat heute ein Gesetz zur finanziellen Entlastung von Ange­hörigen Pflegebedürftiger auf den Weg gebracht. Die Vorlage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, dass Kinder von Pflegebedürftigen, die Sozialhilfe bezie­hen, erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro herangezogen werden.

Der Großteil der Angehörigen brauche künftig kein Geld mehr an den Staat zurückzuzah­len, sagte Heil. Die Entlastung sei „längst überfällig“. Seinen Angaben zufolge würden rund 275.000 Betroffene durch das Gesetz entlastet. Für die Kommunen entstünden da­mit zusätzliche Kosten von 300 Millionen Euro pro Jahr. Der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen.

Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) erklärte, die „Pflege der Eltern darf nicht arm machen“. Angehörige mit geringerem Einkommen seien künftig geschützt. „Gutver­die­ner wie ich sind in der Lage, auch finanziell zur Pflege in der Familie beizutragen“, so Spahn. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Kinder pflegebedürf­tiger Eltern künftig erst ab einem jährlichen Einkommen von 100.000 Euro für Pflegekos­ten aufkommen müssen, wenn die Eltern kein eigenes Vermögen haben.

Die Grünen-Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche, bezeichnete den Plan zwar als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings lasse der Gesetzentwurf ein Kernproblem – die horrenden Eigenanteile – ungelöst. „Denn noch bevor Angehörige für den Unterhalt ihrer pflegebedürftigen Angehörigen aufkommen müssen, tragen allein die pflegebedürftigen Menschen die rasant steigenden Kosten“, sagte sie.

Stefan Schmidt, Grünen-Sprecher für Kommunalfinanzen, mahnte, dass die Pflegekosten, die von den Kommunen zu schultern sind, sich bereits heute auf jährlich 4,1 Milliarden Euro beliefen. Die nun von der Bundesregierung geplante Entlastung der Angehörigen dürfe nicht zu einer weiteren Belastung der Kommunen führen.

Kritik von Kommunen

Das betonten auch die Kommunen selbst. Zu befürchten seien Belastun­gen in Milliarden­höhe, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Heil dürfe nicht das Solidaritätsprinzip des Sozi­al­hilfe­rechts aushöhlen. „Es ist grundsätzlich zumutbar, dass Kinder und Eltern gegen­seitig füreinander einstehen. Daran sollte nicht gerüttelt werden.“

Der Sozialverband VdK bezeichnete das Gesetz als „wichtigen Schritt“. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte den Zeitungen, viele ältere Menschen schreckten davor zurück, Hilfe vom Sozialamt in Anspruch zu nehmen. „Sie gehen nicht ins Heim, obwohl sie zu Hause nicht mehr ausreichend versorgt werden können, damit ihre Kinder nicht belastet werden.“ Auch der Paritätische Gesamtverband sprach von „deutlichen Verbesserungen für Familien“.

Das neue Gesetz soll zudem die Angehörigen von Menschen mit Behinderungen entlas­ten. Sie müssen sich bislang an den Kosten für Maßnahmen der Eingliederungshilfe be­teiligen – etwa wenn es für Umbaumaßnahmen für eine barrierefreie Wohnung oder Ge­bärdensprachdolmetscher geht. Auch hier gilt künftig der Freibetrag von einem Jah­res­einkommen von 100.000 Euro, bis zu dem die Angehörigen nicht herangezogen wer­den.

Für Menschen mit Behinderungen enthält der Gesetzentwurf darüber hinaus weitere Ver­besserungen. Geplant ist etwa ein Budget für Ausbildung. Damit sollen sie unterstützt werden, wenn sie eine reguläre Berufsausbildung antreten. Bisher wird nur die berufliche Bildung in einer Behindertenwerkstatt gefördert – allerdings ohne die Möglichkeit, dort einen anerkannten Berufsabschluss zu erwerben.

Zudem soll die ergänzende unabhän­gige Teilhabeberatung entfristet und finanziell auf­gestockt werden. Sie bietet Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen Hilfe und Beratung zu Fragen von Rehabili­tation und Teilhabe. © kna/afp/may/aerzteblatt.de