Politik

Freitag, 29. Mai 2020

Berlin – Der Gemeinsame Bundes­aus­schuss (G-BA) will die bestehende Sonderregelung für die telefonische Krankschreibung (AU) bei Atemwegserkrankungen in der Co­ronakrise nicht erneut – über den 31. Mai hinaus – verlängern. Anträge der Patientenvertretung, die Regelung bis zum 30. Juni zum Schutz von Risikopatienten auszuweiten, lehnte das Gre­mium heute ab, wie die Patientenvertretung im G-BA mitteilte.

„Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum der G-BA nur diese Sonderregelung nicht ver­längert und dies mit den allgemeinen Lockerungen in den Bundesländern und einer besseren Ausstattung von Arztpraxen zum Schutz vor Infektionen erklärt“, sagte Marion Rink, Sprecherin der Patientenvertretung im fachlich zuständigen Unterausschuss Veran­lasste Leistungen.

Sie betonte, gerade diese Woche sei in Politik und Wissenschaft wieder intensiv disku­tiert worden, welche Gefahren die Lockerungen mit sich bringen könnten. Daher sei die grund­sätzliche Fortsetzung der Kontaktbeschränkungen bis Ende Juni beschlossen worden.

„Hier wird zugunsten der Arbeitgeber mit zweierlei Maß gemessen, obwohl der behaupte­te Missbrauch der Regelung für die telefonische Krankschreibung nicht nachgewiesen ist und die Zahlen der Krankschreibungen wieder zurückgehen“, so Rink.

Andere Sonderregelungen verlängert

Die meisten anderen Sonderregelungen hatte der G-BA gestern mit Verweis auf den Be­schluss der Bundesregierung und der Landesregierungen bezüglich der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verlängert. Die Patientenorganisationen hatten aus „densel­ben Gründen“ beantragt, die Möglichkeit der telefonischen AU für Patienten mit Erkran­kungen der oberen Atemwege ohne schwe­re Symptomatik ebenfalls noch bis zum 30. Juni zu ver­längern.

Auch wenn Arztpraxen zwischenzeitlich besser mit Materialien zum Infektionsschutz und Hygienekonzepten ausgestattet seien, so erhöhe die Abschaffung der Sonderregelung doch die Ansteckungsgefahr für Risikopatienten mit SARS-CoV-2 in der Arztpraxis, hieß es von Patientenseite.

Als Alternative hatten die Patientenorganisationen eine neue befristete Sonderregelung vorgelegt, die die telefonische Krankschreibung nur für schwerst chronisch kranke Pa­tien­ten ermöglicht hätte, die zudem in der jeweiligen Arztpraxis bekannt sein sollten. Aber auch dieser Vorschlag sei im G-BA gescheitert, so die Patientenvertretung.

Da der G-BA beim letzten Mal – wie auch schon zuvor – einen befristeten Beschluss für die telefonische Krankschreibung gefasst hatte, gibt es auch diesmal keine Beschlussfass­ung, die das Bundesministerium für Gesundheit genehmi­gen müsste. Der bestehende Beschluss läuft damit einfach aus.

Eigentlich wollte der G-BA die telefonische AU schon zum 20. April beenden. Die Kritik aus Ärzteschaft und Politik war allerdings so groß, dass sich das Gremium genötigt sah, doch eine Verlängerung zu beschließen. Wie die Reaktion der Politik auf das Ende der telefonischen AU zum 1. Juni ausfallen wird, bleibt abzuwarten.

Mehrheit für Fortsetzung

Die Menschen in Deutschland plädieren unterdessen für weitreichendere Möglichkeiten der digitalen Krankschreibung. Das zeigt eine Umfrage des Digitalverbands Bitkoms unter 1.193 Personen in Deutschland ab 16 Jahren.

Demnach spricht sich eine Mehrheit von 62 Prozent der Menschen in Deutschland dafür aus, dass Krankmeldungen ohne Arztbesuch nicht nur telefonisch, sondern auch digital, etwa per E-Mail, Messenger oder App möglich sein sollten.

Dabei erstreckt sich der Zuspruch quer über alle Altersgruppen: 69 Prozent der 16- bis 29-Jährigen sagen dies, 66 Prozent der 30- bis 49-Jährigen, 65 Prozent der 50- bis 64-Jährigen sowie mehr als jeder zweite Senior ab 65 Jahren (51 Prozent).

Laut Umfrage hat die Coronakrise zu einer großen Offenheit in der Gesellschaft gegen­über telemedizinischen Angeboten geführt. 93 Prozent sprechen sich für einen Ausbau der digitalen Gesundheitsversorgung aus. 62 Prozent sagen, dass die ärztliche Beratung per Chat jetzt und in Zukunft ausgebaut werden sollte.

6 von 10 Befragten (59 Prozent) meinen, Videosprechstunden sollten nicht nur zu Krisen­zeiten wie der Coronapandemie standardmäßig verfügbar sein. Mehr als jeder Zweite (53 Prozent) ist zudem der Ansicht, dass sich mithilfe digitaler Technologien solche Krisen besser bewältigen lassen. © may/aerzteblatt.de