Politik
Montag, 25. Mai 2020
Bonn – Die seit Anfang 2019 geltenden Untergrenzen für das Pflegepersonal im Krankenhaus werden einer Umfrage zufolge von Fachkräften mehrheitlich als negativ empfunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Onlinebefragung des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK).
Einem Bericht des Tagesspiegels zufolge beschrieben fast zwei Drittel (65,2 Prozent) der Teilnehmer die Effekte der Vorgaben zum Personalschlüssel auf ihren Arbeitsalltag demnach als kontraproduktiv. Für die Patienten sahen 52,2 Prozent Nachteile.
Am häufigsten kritisierten die Befragten, dass es zu immer neuen Personalumverteilungen („meist sehr kurzfristig und oft auch stundenweise“) komme. Andere beklagten Überlastung, weil die Limits nach unten als Obergrenze missverstanden würden. In 10,3 Prozent der Fälle sei Personal verringert worden.
Als weitere Negativauswirkungen wurden den Angaben zufolge mehr Konflikte untereinander, höhere Fehlerquoten und eine Zunahme von Leiharbeit genannt. Mehr als 40 Prozent berichteten von größeren Personalverschiebungen, ebenso viele von einer Zunahme an Bürokratie. Manche beschwerten sich auch über Tricksereien bei Dokumentationen und Dienstplänen.
Für die Onlineumfrage zwischen dem 1. Oktober und dem 30. November 2019 wurden knapp 1.000 Antworten ausgewertet. Personaluntergrenzen in deutschen Kliniken gibt es seit Januar 2019. Während der Coronakrise wurden sie allerdings ausgesetzt.
DBfK-Präsidentin Christel Bienstein erklärte in Berlin, dass Untergrenzen „auf dem verordnet niedrigen Niveau und begrenzt auf bestimmte Teilbereiche“ keine Patientensicherheit gewährleisten oder die Pflegenden vor Überlastung schützen könnten. Dass in vielen Bereichen Pflegefachpersonal habe aufgestockt werden müssen, um die Vorgaben zu erfüllen, zeige jedoch, dass Untergrenzen wirkten. „Besonders deutlich wird dadurch, wie schlecht die Personalausstattung vorher gewesen sein muss.“
Bienstein forderte ein Pflegepersonalbemessungsinstrument. „Eine verbindliche Personalbemessung muss umgehend eingeführt werden. Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Und mit der Rückkehr zur Normalität in den Krankenhäusern müssen jetzt auch umgehend die Schutzregelungen für Arbeitszeit und Personaluntergrenzen wieder eingesetzt werden.“
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verlangte, die Untergrenzen schnellstmöglich durch ein Personalbemessungsinstrument abzulösen. Mit anderen Partnern habe die DKG ein entsprechendes Projekt vorgestellt. Dies bilde eine „bedarfsgerechte pflegerische Versorgung“ der Patienten im gesamten Krankenhaus ab, erklärte Hauptgeschäftsführer Georg Baum.
Die DKG nehme die in der Umfrage angesprochene Kritik ernst. „Es wäre aber hilfreich, die Fälle zu kennen, in denen Fehlanreize dazu führten, dass Krankenhäuser sich nicht richtig verhalten haben.
Klar ist aber auch, dass es kein systematisches Ausnutzen von Schwachpunkten der Untergrenzen durch Kliniken gegeben hat“, hieß es. „Dass wir dem Fachkräftemangel entgegen wirken müssen, ist jedem spätestens seit der Coronapandemie klar“, so Baum. © kna/aerzteblatt.de