Politik

Mittwoch, 27. Mai 2020

Berlin – Im Bundestag befassen sich die Abgeordneten erstmals mit dem Plänen der Bundesregierung für eine bessere Intensivpflege. Die Vorschläge des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes sind trotz Korrekturen aus dem Bundesministerum für Gesundheit (BMG) weiter umstritten.

Die Chefin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, äußerte die Sorge, dass mit dem am im Bundestag in erster Lesung diskutierten Gesetz Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung und intensivpflegerischem Bedarf eingeschränkt werden könnten – und zwar durch den Medizinischen Dienst der Kran­ken­ver­siche­rung.

„Die Medizinischen Dienste sollen im Auftrag der Krankenkassen einmal jährlich prüfen, ob die medizinisch-pflegerische Versorgung tatsächlich und dauerhaft sichergestellt ist“, sagte sie dem Tagesspiegel. Das seien sehr unbestimmte Begriffe, die den Kostenträgern sehr viel Spielraum bei ihrer Entscheidung gäben.

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, forderte ebenfalls Nach­besserungen an der geplanten Reform. Menschen mit Behinderung sähen den Neurege­lungen mit Unruhe entgegen, sagte er heute im Gesundheitsausschuss des Bundestages.

So sollte jeder selbst entscheiden dürfen, wo und mit wem er lebt, betonte Dusel mit Blick auf die Versorgung von Beatmungspatienten. Die Patienten müssten eine Wahlfrei­heit haben, wo sie versorgt werden wollten, und dürften nicht gegen ihren Willen in sta­tio­näre Einrichtungen gebracht werden.

Die Coronakrise habe gerade erst gezeigt, dass Pflegeheime nicht unbedingt ein sicherer Ort seien, argumentierte Dusel. Sie könnten für Beatmungspatienten ein Risiko darstell­en. Das Recht, in der eigenen Häuslichkeit betreut zu werden, dürfe nicht eingeschränkt werden.

Im schlimmsten Fall könne dies dazu führen, dass Pflegemängel nicht mehr gemeldet würden aus Angst, aus dem Haus zu müssen. Auch bei den Zuzahlungen dürfe es nicht zu einer Schlechterstellung für jene Pflegefälle kommen, die zu Hause statt in einer statio­nä­ren Einrichtung versorgt würden.

Die außerklinische Intensivpflege kann dem Gesetzentwurf zufolge in Pflege- und Behin­derteneinrichtungen, in Intensivpflege-Wohneinheiten, zu Hause oder auch in Schulen, Kindergärten oder Werkstätten erbracht werden. Die Medizinischen Dienste der Kranken­versicherung sollen jährlich prüfen, ob die Versorgung sichergestellt werden kann. Mit der Novelle reagiert die Bundesregierung auch auf betrügerische Pflegedienste mit über­teuerten Abrechnungen.

Frühere Gesetz­entwürfe waren umstritten, weil Spahn den Missbrauch der lukrativen In­tensivpflege zu Hause verhindern und sie zur Ausnahme machen wollte. Kritiker erklär­ten, die Pläne wür­den Patienten in der Möglichkeit einer selbstbestimmten und frei ge­wählten Lebens­füh­rung einschränken. Spahn änderte daraufhin seine Pläne.

Die Intensivpflege von Beatmungspatienten erfordert meist eine 24-Stunden-Betreuung. Monatlich kostet das die Krankenkassen etwa 20.000 Euro pro Patient. Bundesweit be­deu­tet das hochgerechnet etwa zwei bis vier Milliarden Euro pro Jahr. Doch viele der Pa­tienten, die nicht selbstständig atmen können, werden von der Intensivstation in die häusliche Pflege oder in Pflege-WGs mit mehreren Patienten entlassen.

Spahn will erstmals Qualitätsvorgaben für die Intensivpflege zu Hause vorgeben und die Intensivpflege in stationären Einrichtungen bezahlbar machen. Krankenhäuser und Heime werden verpflichtet, ihre Patienten so bald wie möglich von den Beatmungsgeräten zu entwöhnen. © kna/may/aerzteblatt.de