Politik

Mittwoch, 29. April 2020

Berlin − Jens Spahn (CDU), Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter, äußert sich bei einer Pressekonferenz im Bundesministerium für Gesundheit zu Ergebnissen der Kabinettssitzung und zum Stand der Coronapandemie.

Berlin – Neue Meldepflichten, bessere finanzielle und personelle Ausstattung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie mehr Tests in Pflegeheimen: Mit dem zweiten Be­völkerungsschutzgesetz will die Bundesregierung weitere Bereiche des Gesundheitswe­sens für die Zeit der Pandemie regeln. „Dieses Gesetz ist ein Spiegelbild der Komplexität dieser Pandemie“, erklärte Bundesge­sundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Anschluss an den Beschluss des Bundeskabinetts.

Neu in der Gesetzesvorlage ist im Vergleich zu den bisherigen Entwürfen für das Gesetz vor allem, dass der Bund erstmals für die Grippesaison 2020/2021 rund 4,5 Millionen Impf­dosen bestellen wird. Ebenso wird Hausärzten die Möglichkeit gegeben, 30 Prozent mehr Impfdosen zu bevorraten als sie es bislang getan haben, ohne in Regress genomm­en werden zu können.

Wie bereits aus ersten Entwürfen berichtet, sieht das Gesetz auch vor, dass Infizierte schneller getestet werden sollen. So soll das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­ium (BMG) die gesetzliche Kran­ken­ver­siche­rung (GKV) per Verordnung verpflichten, Tests grundsätzlich zu finanzieren, auch wenn ein Patient keine Symptome zeigt.

Laut Spahn kosten die Tests derzeit 60 Euro pro Stück. Gehe man von baldigen Testkapa­zi­täten von einer Million Stück pro Woche aus, könnte dies die GKV etwa 60 Millionen Eu­ro pro Woche kosten. Diese Modellrechnung ist auch im Gesetz enthalten. Berechnun­gen aus der vergangenen Woche, wonach die GKV zwischen einer und 1,5 Milliarden Euro für die Tests zahlen sollten, seien aber vom Tisch, so Spahn.

Verstärkt in Pflegeheimen testen

Mit dem Gesetz will der Minister auch darauf drängen, dass gerade in Pflegeheimen „ver­stärkt“ auf Coronainfektionen getestet wird. Eine „Muss-Regelung“ solle dies allerdings nicht werden, so Spahn auf Nachfrage. Offenbar gibt es aber Gespräche mit den Bundes­ländern, die Tests in Pflegeheimen auszuweiten. Das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg wollen nach seinen Angaben landesweit die Heime testen.

Regelmäßige Tests soll es auch bei der Aufnahme von Patienten in ein Krankenhaus ge­ben. Das hatte der Minister bereits gestern in seinem neuen Krankenhauskonzept vorge­schlagen. Gemeldet werden müssen künftig auch die negativen Testergebnisse. Zur neu­en Melde­verpflichtung gehört auch, ob ein Mensch wieder geheilt ist. Auch soll es Pflich­ten für Labore geben, Daten von Proben pseudonymisiert an das RKI zu über­mitteln.

Nach Angaben von Spahn könnten in Deutschland mittlerweile fast 900.000 Tests pro Woche durchgeführt werden, wenn es ausreichend Material gibt. Seinen Angaben zufolge wurden in der vergangenen Woche 470.000 Testabstriche vorgenommen, von denen 5,4 Prozent positiv waren. Sobald es wissenschaftlich bewiesen ist, dass nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 Immunität besteht, soll es analog zum Impfausweis möglich sein, sich Immunität bescheinigen zu lassen. Dies sei auch keine Diskrimi­nierung der Betroffenen.

Ein großer Schritt soll mit dem Gesetz auch für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) getan werden, der ein „Update“ bekomme, wie Spahn erklärte. Bis zu 50 Millionen Euro will der Bund für eine bessere technische Ausstattung des ÖGD ausgeben.

Das Gesetz regelt außerdem, dass Soloselbstständige nicht auf den PKV-Basistarif zu­rück­fallen können. Außerdem werden mehrere Regelungen für die Auszubildenden im Gesundheitswesen angepasst.

Für Pflegebedürftige Menschen, die zu Hause leben, soll es ebenso Anpassungen bei den Regelungen geben, beispielsweise bei der Vereinfachung von Inanspruchnahme des Ent­lastungsbeitrages oder bei der Gewährung von Hilfen bei der Unterstützung im Alltag. Um den „europäischen Partnern“ weiter Unterstützung anzubieten, will die Bundesre­gie­rung die Kosten für die Versorgung von EU-Patienten übernehmen.

Da mit dem Gesetz auch die Finanzierung für den Bonus für Pflegekräfte geregelt wird, wird auch die Diskussion um die Finanzierung der Kosten intensiver. So erklärte Bärbel Bas, in der SPD-Bundestagsfraktion zuständig für Gesundheitspolitik: „Die Maßnahmen kosten uns einiges. Mir ist es wichtig, dass wir die gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rungen und damit die Versicherten nicht überlasten.“ Schon jetzt sei klar: „Wir brauchen einen höheren Steuerzuschuss und müssen die private Kran­ken­ver­siche­rung viel mehr an den Kosten beteiligen“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Die Gesundheitsexpertinnen von den Grünen kritisieren das Gesetz in einer ersten Stellungnahme scharf: „Spahns Gesetzentwurf schießt weit über das Ziel hinaus und weist zugleich empfindliche Lücken auf“, erklärten Maria Klein-Schmeink und Kordula Schulz-Asche in einem Statement.

Spahn wolle noch mehr Kompetenzen, „um Rechtsverordnungen am Bundestag vorbei erlassen zu können“. Man wolle darauf drängen, dass der Bundestag die Verordnungen bestätigen muss. Auch sei die geplante Unterstützung des ÖGD „völlig unzureichend.“ Es sei „nicht damit getan, dass die Gesundheitsämter jetzt ein paar neue Computer erhalten“. Mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen seien wichtig.

Das Gesetz soll in der kommenden Woche erstmals im Bundestag beraten werden. Für den 11. Mai ist eine Anhörung terminiert. © bee/aerzteblatt.de