Politik

Mittwoch, 22. April 2020

/dpa

Berlin – Die Bundes­ärzte­kammer (BÄK) hat die im zweiten Bevölkerungsschutzgesetz vorgesehenen Maßnahmen im Wesentlichen begrüßt. In dem kürzlich veröffentlichten Gesetzentwurf sind zahlreiche Regelungen enthalten, die das Ende März verabschiedete Bevölkerungsschutzgesetz ergänzen sollen. Vorgesehen ist zum Beispiel eine personelle und finanzielle Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), eine Auswei­tung von Tests auf SARS-CoV-2 und eine weitere Entlastung der Krankenhäuser.

„Die Bundes­ärzte­kammer befürwortet die vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung des ÖDG“, schreibt die BÄK in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf. „Allerdings reichen diese bei weitem nicht aus, um die seit vielen Jahren bestehende chronische personelle Unterbesetzung in den Gesundheitsämtern zu beheben.

Die Bundesärzte­kammer fordert daher nachdrücklich eine langfristige und verbindliche finanzielle, materielle und personelle Aufstockung der Gesundheitsämter – über die Zeit der aktuellen Coronapandemie hinaus.“

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Mitarbeiter aus anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung die Gesundheitsämter künftig bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen unterstützen. Zudem sollen die kommunalen Gesundheitsämter bis zu 150.000 Euro aus dem Haushalt des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter­iums für Investitionen in Hard- und Soft­ware erhalten.

BÄK lehnt vorgesehene Testung durch Tierärzte ab

Künftig sollen Testungen in Bezug zu COVID-19 auch symptomunabhängig Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kran­ken­ver­siche­rung (GKV) werden. Auch Tierärz­ten soll dabei im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestattet werden, labordiagnostische Untersuchungen zum Nachweis von Erregern für bedrohliche übertragbare Krankheiten durchzuführen.

Diese Regelung lehnt die BÄK ab. „Sofern eine Ausweitung der personellen Ressourcen als notwendig angesehen wird, ist es aus Sicht der Bundes­ärzte­kammer naheliegender, die Testdurchführungen unter Ausnahmebedingungen weiteren fachärztlichen Gebieten, zum Beispiel Fachärztinnen und Fachärzten für Gynäkologie und Geburtshilfe (… ) zu er­möglichen“, schreibt die BÄK.“

Grundsätzlich sieht die Bundes­ärzte­kammer die Testkapazitäten zum Nachweis des SARS-CoV-2-Erregers jedoch vielmehr durch die unzureichende Bereitstellung der erforderli­chen Testmaterialien limitiert und nicht so sehr durch die für die Testdurchführung erfor­der­lichen fachärztlichen und nichtärztlichen personellen Ressourcen.

BÄK fordert Reduzierung der Sanktionen von Krankenhäusern

Um die Krankenhäuser zu entlasten, sollen die Krankenkassen bei den Abrechnungs­prü­fungen nicht prüfen dürfen, ob die Krankenhäuser die Mindestanforderungen an be­stimm­te Leistungen erfüllt haben, die zwischen dem 1. April und dem 30. Juni mit der Behandlung von COVID-19-Patienten zusammenhängen.

Dabei geht es vor allem um intensivmedizinische Komplexleistungen. Denn in der Krise werde es organisatorisch nicht in jedem Behandlungsfall zu gewährleisten sein, dass die Mindeststandards von den Krankenhäusern eingehalten werden können, heißt es in dem Gesetzentwurf.

„Die vorgesehenen Änderungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sind grund­sätz­lich sachgerecht“, betont die BÄK. „Die Bundes­ärzte­kammer teilt die Einschätzung, dass Kliniken angesichts der enormen Herausforderungen durch die Pandemie und den damit verbun­denen Umstrukturierungen schnell und umfassend entlastet werden müssen. Dies betrifft insbesondere Ärztinnen und Ärzte, die sich in der aktuellen Krise umfassend auf die Patientenversorgung fokussieren können müssen.“

In dem Gesetz werden die Krankenhäuser verpflichtet, Patientendaten im Bereich der COVID-19-Behandlung zur Evaluation der veränderten Krankenhausfinanzierung an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus zu schicken. Tun sie dies nicht, sollen sie eine Strafe von mindestens 20.000 Euro je Standort zahlen.

„Die neu vorgesehenen Datenlieferungen sollten aus Sicht der Bundes­ärzte­kammer auf ein vertretbares Minimum (gegebenenfalls aus einer Stichprobe von Kliniken) reduziert und die Höhe der geplanten Sanktionen bei Nichterfüllung halbiert werden“, kommen­tiert die BÄK.

Länderübergreifende Kooperation wird unterstützt

„Die Bundes­ärzte­kammer unterstützt die länderübergreifende Kooperation medizinischer Versorgungsstrukturen bei der Behandlung von COVID-19-Patienten nachdrücklich“, heißt es weiter in der Stellungnahme.

Daher sei die geplante Übernahme der bei der Versorgung von Patienten aus dem euro­päi­schen Ausland entstehenden Krankenhaus­kosten ein gutes Signal der Bundesregie­rung im Sinne einer Flankierung der laufenden medizinischen Kooperation und Solidari­tät in Europa.

Kritisch bewertet die BÄK hingegen die vorgesehene Regelung, nach der Polizei­­­­­be­hör­den bei Gefahr in Verzug zu Maßnahmen wie zum Beispiel körperlichen Untersuchungen, Blut­entnahmen und Röntgenuntersuchungen befugt sein sollen.

„Die Bundes­ärzte­kammer plädiert hier für eine Regelung, die den Verhältnismäßigkeits­grundsatz wahrt und sich an den nach zum Teil sehr ausführlichen Erörterungen verab­schie­deten Regelungen in der Strafprozessordnung und einigen Polizeigesetzen der Län­der mit ihren verfahrensmäßigen Absicherungen orientiert“, so die BÄK.

Lob für Unterstützung von hilfebedürftigen Privatversicherten

In dem Gesetzentwurf ist ein erleichtertes Rückkehrrecht für Privatversicherte aus dem Basistarif in den zuvor bestehenden Tarif vorgesehen. Dies unterstützt die BÄK ausdrück­lich.

„Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie gilt es zu verhindern, dass hierdurch vorü­bergehend hilfebedürftige privat Krankenversicherte dauerhaft im Basistarif versichert bleiben müssen und nach Beendigung ihrer Hilfebedürftigkeit den vollen Beitrag im Ba­sistarif bei in der Regel geringerem Leistungsanspruch zu entrichten haben“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme.

Die BÄK betont, dass sie „in hohem Maße die seit Beginn der Coronapandemie besteh­en­de Bereitschaft des Gesetzgebers“ anerkennt, „innerhalb kürzester Zeit Regelungen zu treffen, welche das Funktionieren des Gesundheitswesens sicherstellen und die mit die­ser besonderen Situation verbundenen negativen Folgewirkungen abmildern sollen“, betont die BÄK. © fos/aerzteblatt.de