Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.07.2019
– 8 U 59/18 –
Fixierung einer Patientin stellt Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Person dar
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass das Land Hessen einer Patientin wegen ihrer Fixierung und Zwangsmedikationen in einer psychiatrischen Klinik ohne richterliche Genehmigung ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro zahlen muss.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls begehrt im Zusammenhang mit ihrer Einweisung und Behandlung in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses im Frankfurter Raum Schmerzensgeld vom beklagten Land Hessen. Nach einer Frühgeburt gestaltete sich ihre häusliche Situation schwierig. Ein Notruf des klägerischen Ehemanns führte 2014 zur Einweisung der Klägerin gegen ihren Willen in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses. Dort befand sie sich gut zwei Wochen und wurde dabei teilweise fixiert und mit Medikamenten therapiert.
Klägerin verlangt Schmerzensgeld wegen Falschbehandlung
Das Amts- und das Landgericht hatten damals die vorläufige Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Einrichtung für zulässig erklärt. Die Klägerin begehrte nunmehr vom Land Hessen ein angemessenes Schmerzensgeld wegen behaupteter Falschbehandlung in der Klinik sowie Ersatz der ihr entstandenen und noch entstehenden Schäden. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
OLG bejaht Rechtswidrigkeit der Fixierung
Auf die Berufung hin verurteilte das Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Land Hessen, ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro zu zahlen sowie der Klägerin sämtliche aus der Fixierung und Zwangsmedikationen entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen. Das Oberlandesgericht verwies darauf, dass die Klägerin das Land Hessen zu Recht in Anspruch nehme, da die Unterbringung von psychisch Kranken zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine genuin staatliche Aufgabe sei. Die nachgewiesenen Fixierungen der Klägerin seien hier auch rechtswidriggewesen. Die Fixierung einer Patientin stelle einen Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Person dar, so das Oberlandesgericht. Sowohl bei einer 5-Punkt- als auch bei einer 7-Punkt-Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handele es sich um eine Freiheitsentziehung. Dies gelte auch, wenn – wie hier – im Rahmen der Unterbringung die Freiheit bereits entzogen wurde. Die Fixierung nehme der Betroffenen die noch verbliebene Freiheit, sich innerhalb der Station oder jedenfalls im Zimmer frei zu bewegen. Infolge der besonderen Eingriffsqualität sei eine solche Fixierung nicht von der richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt.
Fixierungen hätte richterlicher Genehmigung bedurft
Für die Fixierungen hätte es demnach einer richterlichen Genehmigung bedurft. Diese fehlte, so dass die Fixierungen bereits aus diesem Grund rechtswidrig gewesen seien. Gleiches gelte für die Zwangsbehandlungder Klägerin. Die medizinische Behandlung einer Untergebrachten gegen ihren natürlichen Willen greife laut Gericht in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein. Dem Eingriffscharakter stehe auch nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde. Auch die Zwangsbehandlung sei durch die Unterbringungsanordnung selbst deshalb nicht gedeckt und damit rechtswidrig.
Fixierung ist nicht von Genehmigung der Unterbringung als solche abgedeckt
Ohne Erfolg berufe sich das beklagte Land auf fehlendes Verschulden. Bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 habe es der herrschenden Meinung entsprochen, dass eine Fixierung nicht von der Genehmigung der Unterbringung als solche abgedeckt sei, sondern einer eigenständigen richterlichen Genehmigung bedürfe.
Höhe des Schmerzensgeldes angemessen
Das Schmerzensgeld sei angesichts des Ausmaßes der konkreten Beeinträchtigungen und der Funktion eines Schmerzensgeldes mit 12.000 Euro angemessen, aber auch ausreichend bemessen.